"Lügenpresse" vs. "Propaganda"?
Das Narrativ der westlichen Mainstreammedien über russische Medien lautet in etwa so: "Russische Medien sind so mächtig und effektiv, weil es sich bei ihnen um finanziell gut ausgestattete Propaganda handelt." Doch ist das wirklich so? Nachdem ich mehr als ein Jahrzehnt bei russischen Medien gearbeitet habe, bin ich der Meinung, dass diese sich auf eine andere Weise auf ausländisches Publikum konzentrieren: Sie stellen die westliche Hegemonie und deren Agenda hinsichtlich der Kontrolle und Gestaltung der globalen Medien in Frage.
Bis vor Kurzem besaßen westliche Medien nahezu ein Monopol bei der Gestaltung der Nachrichten-Agenda. Dabei liefen sie im Gleichschritt mit den Herrschenden. Wer Kolumnen in der Washington Post, dem Wall Street Journal oder der Financial Times liest, wird schnell die argumentative Übereinstimmung mit der Außenpolitik westlicher Regierungen erkennen.
Dies war gleichsam stets eine äußerst bequeme Arbeitsteilung. Die nachgiebige Presse hat die außenpolitischen Abenteuer westlicher Regierungen rein gewaschen. Im Gegenzug bekamen die Vertreter dieser Medien die besten Plätze um von Kriegen zu berichten, die in der Folge unter dem Titel "Der Westen rettet die Welt" verkauft wurden.
Dieses Modell funktionierte ziemlich gut, bis das Internet sich selbst seiner Macht bewusst wurde, bis die Finanzkrise zuschlug, bis das Scheitern der Kriege enthüllt wurde und alternative Medien auftauchten.
Ich frage mich oft, warum neue Angebote wie RT so beliebt sind und von einem weltweiten Publikum geschätzt werden. Dafür mag es viele Gründe geben, aber die kurze Antwort ist, dass RT eine erfrischend andere Perspektive anbietet.
Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, wie westliche Medien die Kriegstrommel für George W. Bush geschlagen haben. Dieses mediale Echo machte deutlich, dass jeder Akt der Aggression rund um den Globus möglich war, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen.
Wie viele Redakteure in den westlichen Medien haben ihren Job verloren, weil sie über Bushs Kriege gelogen haben? Heute heißt es wir sollen über den Irak-Krieg hinwegkommen. Aber es gibt die weit verbreitete Ansicht, dass westliche Medien ihr Publikum belogen haben.
Selbiges bei der großen Finanzkrise 2008 und 2009. Die Mehrheit der westlichen Medien sind in der Hand großer Konzerne. Wie viele Wall Street-Banker sind ins Gefängnis gewandert? Es gab durchaus einige sehr gute investigative Arbeiten zu diesem Thema, aber der Mainstream ist zu schüchtern die Sache weiter zu verfolgen und sagt uns: "Kommt darüber hinweg".
Weit verbreitet ist heute die Ansicht, dass für Banken eine Art Sozialismus gilt, in dem Verluste sozialisiert werden, während der Rest von uns unter der Austerität des Kapitalismus leben muss.
Die Mainstreammedien ziehen es in dieser Situation vor, sich mit unbedeutenden Luxusproblemen aufzuhalten, erzählen Geschichten über Menschen die sich Eimer mit Eiswasser überkippen oder sorgen sich um die Beschaffenheit von Kim Kardahsians Hintern. Die Banker der Wall Street und die politisch Verantwortlichen in Washington wurden derweil nie für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen.
Wir, die alternativem Medien (bzw. nicht-westlichen Medien), werden oft als Propaganda bezeichnet, bloß weil wir eine andere Geschichte erzählen. Einige der Menschen, Institutionen und Regierungsvertreter die diese Vorwürfe erheben haben sehr viel Angst, denn das Standard-Narrativ macht die Welt für die Herrschenden und ihre Verbündeten in den Medien sehr gemütlich und komfortabel.
Wir haben eine andere Mission: Wir existieren, um die die konventionelle Sicht der westlichen Medienhegemonie herauszufordern. Unser Ziel ist es, so viel wie möglich unterschiedliche Stimmen zu hören
Die Tragödie, die sich jüngst in der Ukraine ereignet hat, hat auch eine große Bedeutung für die alternativen Medien. Die Geschichte dieses Konfliktes ist sehr eindeutig und es ist offensichtlich, wer falsch berichtet und dies weiterhin tut. Es gibt eine Menge schlüssiger und überzeugender Belege dafür, dass Washington und Brüssel einen Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung der Ukraine unterstützt haben. Der Westen leugnet dies komplett. Das offizielle Narrativ, dass es sich bei dem Umsturz um einen Volksaufstand handelte, kann gleichsam als Propaganda bezeichnet werden.
Schlimmer noch: Die verfassungsmäßige Ordnung in Kiew wurde nach gewaltsamen Auseinandersetzungen aufgehoben, bei denen auch Scharfschützen zum Einsatz kamen, die 90 Menschen töteten. Westliche Medien haben nur sehr wenig Interesse für diese Geschichte gezeigt und verfolgten die Geschehnisse immer weniger, als langsam klar wurde, dass die Schützen in Verbindung mit den Regierungsgegnern standen. In Odessa ereignete sich ein Massaker. Zahlreiche Videos, die auf YouTube verfügbar sind, belegen, dass es sich bei den Schuldigen um faschistische Gruppen handelt, die Verbindungen zur Putsch-Regierung haben. Die westlichen Medien zeigten auch für diese Geschichte nur sehr wenig Interesse.
Dann stürzte die MH17 ab. Für einige Wochen war dies die größte Story in der bisherigen Mediengeschichte. Doch plötzlich verschwand MH17 aus den Schlagzeilen. Warum? Der gesunde Menschenverstand gebietet es zu glauben, dass westliche Geheimdienste wissen sollten wer das Flugzeug abgeschossen hat. Doch diese Information wurde bis heute nicht enthüllt. Gleichsam folgen die westlichen Medien einhellig einer Linie: "Russland war es". Zweifel und vertiefende Fragen haben keinen Platz, doch die unter uns, die divergierende Szenarien in Betracht ziehen, werden als Propagandisten abgestempelt.
Der ultimative Trick ist es die westlichen Medien zu fragen: "Wann hat Russland die Ukraine überfallen?". Darauf können die Mainstreammedien keine Antwort geben, denn es gab niemals eine russische Invasion - und wahrscheinlich wird es auch nie eine geben. Gleichzeitig wird das westliche Publikum rund um die Uhr mit Desinformation über die Ukraine gefüttert. Jeder der sich dem entgegenstellt, wird als Propagandist verunglimpft.
Wir, die alternativen Medien, machen auch nicht alles richtig. Aber warum nennt man uns Propagandisten, nur weil wir Fragen stellen und die Mächtigen herausfordern? Dies ist doch seit jeher die Hauptaufgabe des Journalismus.
Die westlichen Medien haben in dieser Frage ihr moralisches Recht verwirkt. Es ist an der Zeit, dass der Rest von uns mehr Platz bekommt.
von Peter Lavelle
Foto: Peter Lavelle, RT
Quelle: RT