Mit ZDF ist es immer schwieriger
Das Spezialgebiet von Dirk Pohlmann sind Geheimdienstoperationen der USA. Sein Dokumentarstreifen „Täuschung - Die Methode Reagan“ wurde beim Filmfestival in St. Petersburg ausgezeichnet. Und gerade wegen dieses Filmes bekam er Probleme mit seinen Auftraggebern. Ein Gespräch über Medienfreiheit, Internet und unendlichen Kalten Krieg.
Herr Pohlmann, Sie beschäftigen sich als Dokumentarfilmer schwerpunktmäßig mit Geheimdienstoperationen, vor allem im Kalten Krieg. Geheimdienstler gelten allgemein als nicht besonders gesprächig. Wie geht man da vor?
Ja, das ist schwierig. Ich habe mir im Laufe der Zeit ein Netzwerk von Leuten aufgebaut. Ich hatte den Vorteil, dass ich mit dem Anfang des Kalten Krieges angefangen habe. Und für Amerikaner ist etwas, das 50 oder 60 Jahre her ist, wie für uns 200 Jahre. History.
Die Hochzeit der Geheimdienste war wahrscheinlich der Kalte Krieg. Haben die russischen und amerikanischen Geheimdienste sich dann nach der Wende anderen Aufgaben zugewandt oder ging die Spionage weiter?
Ich würde sagen, alles geht weiter. Ich bezweifle, dass selbst innerhalb dieser Apparate die Leute überblicken, was da alles passiert. Es gibt verschiedene Abteilungen, die nichts voneinander wissen, und es gibt verschiedene Geheimdienste. Wir hören meist von der CIA. Über die NSA wurde ja bis vor kurzem noch nicht einmal zugegeben, dass es sie gibt. Dabei gab es Vorläufer der NSA schon im Zweiten Weltkrieg.
Und auch den Russen hat man nach Ende des Kalten Krieges weiter misstraut?
Ja, auf jeden Fall. Das ist einer der Punkte, die ich ganz schlimm finde, dass das Ende des Kalten Krieges nicht dazu genutzt wurde, auf eine neue Stufe der internationalen Beziehungen zu kommen. Das Schlimme ist, dass dieser Sieg über die Sowjetunion, wie die konservativen Kräfte das gesehen haben, eigentlich zu einem neuen Informationskrieg führte.
Aber Deutschland spielt auch eine wichtige Rolle für die Amerikaner? Bekannt ist ja zum Beispiel auch die Bedeutung von Ramstein für Drohnenflüge.
Als den Amerikanern klar wurde, dass Afrika extrem wichtig werden wird, als nächster großer Wirtschaftsboom, hat Bush das Militär-Hauptquartier für sein neues Africa Command in Deutschland aufgemacht, weil man die Amerikaner in Afrika selbst nicht haben wollte. Seitdem wird diese Region, die immer wichtiger wird, wo auch der Terrorismus erstaunlicherweise immer stärker wird, von Deutschland aus verwaltet. Das ist nur ein Beispiel.
Ist das also jetzt eine alte Bringschuld der Deutschen an die Amerikaner aufgrund des Zweiten Weltkrieges?
Das sehe ich nicht so. Wir haben eine Bringschuld dem jüdischen Volk gegenüber. Und wir haben eine identische Bringschuld der Sowjetunion gegenüber mit zwischen 20 und 27 Millionen Toten. Und das sollte uns verpflichten, nie wieder eine militärische Konfrontation zu unterstützen.
Meinen Sie, dass Europa überhaupt in der Lage ist und das Recht hat zu einer emanzipierten eigenen Außenpolitik?
Ja, eigentlich sollte dies das Zeitalter Europas sein, weil die Amerikaner nicht mehr in der Lage sind, die Welt zu führen, das sagen die Chinesen, wegen ihres schlechten Rufes, wegen ihrer vielen Lügen. Und deshalb müsste Europa und Deutschland jetzt Verantwortung übernehmen, aber nicht im Gauckschen Sinne als Militärhelfer, sondern als diplomatischer Konfliktlöser. Unsere Konflikte, die wir hatten nach dem Zweiten Weltkrieg, also Jugoslawien und jetzt die Ukraine, sind ja jeweils amerikanisch induziert. Wenn in Europa die Völker aufeinander schlagen, dann nutzt das den Amerikanern und nicht uns. Darum wäre es nötig, sich eigenständig von Amerika zu lösen.
Als Dokumentarfilmer sind Sie natürlich darauf angewiesen, dass Ihre Filme gezeigt werden. Nun können Sie dies auch auf Youtube tun, aber dann bekommen Sie kein Geld. Und so ein Film ist ja sehr teuer. Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit dem Fernsehen?
Die war bisher und ist es immer noch mit arte sehr angenehm. Mit dem ZDF ist es zunehmend schwieriger geworden. Mein vorletzter Film wurde massiv umgeschnitten.Ca. 40% von Text und Bild wurden geändert.
Aber in Absprache mit Ihnen?
Nein. Eben nicht. Mir wurde damals gesagt, das war ein Irrtum, ein Fehler, was ich auch geglaubt habe. Jetzt ist aber das Gleiche bei meinem neuen Film wieder passiert. Ich gehe davon aus, dass hier bewusst interveniert wurde.
Wer entscheidet denn sowas?
Wenn es sich um Bereiche handelt, die so wichtig sind, dann schauen da auch andere Leute außerhalb der Redaktion drüber. Hinter einem öffentlich-rechtlichen Sender steht ja der Fernsehrat, in dem auch Politiker sitzen, womit ja schon die Staatsfreiheit, eine Forderung des Verfassungsgerichts, nicht mehr gegeben ist.
Gibt es in den deutschen Leitmedien einen gewissen Leitkodex? Eine übergeordnete Loyalität mit der westlichen Welt und deren Werten?
Das kann ich bestätigen. Nicht nur in meinem Fall. Ich kenne auch Geschichten von anderen Filmen, wo das sogar wörtlich gesagt wurde. Einem Kollegen wurde beispielsweise gesagt: Wir machen hier keine Anti-Nato-Filme. Damals ging es um den Jugoslawienkrieg.
Ist es denn schon mal persönlich für Sie gefährlich geworden aufgrund Ihrer Filme?
Das geschieht subtiler. Die erste Eskalationsstufe ist nicht die Drohung, sondern das Lächerlichmachen, Diskreditieren.
Sehr populär heutzutage.
Extrem populär. Zum Beispiel, wenn versucht wird, einen in die Nähe von Verschwörungstheoretikern zu stellen und einen somit rechtspopulistisch einzuordnen, was mir früher nie passiert ist.
Herr Pohlmann, es wird immer schwerer, Wahrheit klar zu transportieren. Das Rauschen der Meinungen und die Vielzahl der Medien werden immer schwieriger zu verarbeiten für den Konsumenten. Das hat Vorteile – Meinungsvielfalt, vor allem im Netz. Aber, wenn jeder zu allem was sagt, bleibt die Wahrheit manchmal auch auf der Strecke. Und dann gibt es ja auch noch gezielte Propaganda. Wie sehen Sie die Entwicklung der Medien und des Internets?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Auf der einen Seite ist es so, dass das Internet wirklich eine alternative Informationsmöglichkeit bietet. Und jetzt müssen Sie einfach gucken, wie Geheimdienste arbeiten. Wenn jemand der Wahrheit zu nahe kommt, dann gibt es einmal die Möglichkeit, diese Person zu bearbeiten, zu diskreditieren — oder sie vergiften die Quelle. Das heißt, möglichst viele Falschinformationen drüber zu schütten. So lief das schon beim Kennedy-Mord. Oder auch bei Olaf Palme.
Der Kalte Krieg und die große Konfrontation der West- und des Ostblocks schienen vorbei zu sein. Jetzt flammt es wieder auf. Und man erkennt Parallelen. Inwieweit ist die Ukraine-Krise eine Spiegelung des alten Konfliktes USA-Russland?
Wie schon gesagt, der Westen betrachtete sich nach dem Ende des Kalten Krieges als Gewinner. Also warum sollten sie dann ihre erfolgreichen Methoden jetzt weglassen? So sehen sie sich jetzt in der Lage, Russland, das keine Supermacht mehr ist, komplett abzuräumen, an die Ressourcen ranzukommen und sich ihren größeren Gegnern wie China zuzuwenden, indem man in Europa Unfrieden stiftet. So sind die Europäer beschäftigt, die Russen beschäftigt. Ideal wäre, wenn die Russen und die Deutschen wieder aufeinander schießen. Deswegen wäre es so wichtig, dass sich Deutsche und Russen zusammen hinstellen und sagen: „Wir haben beide die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges. Und bitte nicht nochmal.“
Besonders eklatant ist diese Diskrepanz zwischen Wahrheit, dem, was das Volk sozusagen, denkt und fühlt und dem, was die Medien schreiben, bei der Ukraine-Krise. Warum gerade bei diesem Thema?
Ja, da gibt es eine große Diskrepanz zwischen Medien und Bevölkerung. Es ist eigentlich nicht Aufgabe der deutschen Medien, die Nato-Linie zu verfolgen, sondern den Konflikt zu erklären. Und dazu sollte automatisch gehören, dass man die andere Seite anhört. Deshalb ist schon dieser Begriff "Putinversteher" eine Unverschämtheit und Dummheit. Natürlich muss man Putin verstehen, wenn man darüber berichtet.
Herr Pohlmann, Ihr letzter Film wurde als bester ausländischer Film auf dem Filmfestival "Das Meer ruft!" in St. Petersburg ausgezeichnet. Glückwunsch! Wie wurden Sie in Russland empfangen im "Reich des Bösen"?
Haha. Ich bin ein paar Mal in Russland gewesen für Dreharbeiten und Interviews. Und ich kann nur allen Deutschen raten, da mal hinzufahren. Beim ersten Mal war ich beschämt von der ungeheuren Freundlichkeit und Offenheit. Es ist unglaublich, was für einen guten Ruf Deutschland hat, trotz des Krieges. Ich als Wessi bin sehr positiv überrascht worden von Russland. Die Menschen sind so herzlich.
Interview: Armin Siebert