Wer hat die Macht? Lobbyarbeit in Deutschland

Wenn Sie den Begriff "Lobbyist" hören, was verbinden Sie damit? Denken Sie dann auch an Zigarren qualmende Personen, die zusammen mit Politikern in großen Ledersesseln über die Zukunft Deutschlands entscheiden? Nun, so geht es auf jeden Fall vielen Menschen in Deutschland. Grund genug für uns, einmal genauer hinzuschauen. Dr. Peter Spary war in den 90ern Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels. Heute ist er einer der wichtigsten Chef-Lobbyisten in Deutschland. Marcel Joppa hat mit ihm über die Hintergründe von Lobbyarbeit und die engen Kontakte zur Politik gesprochen.

Herr Doktor Spary, wenn man Ihren Namen im Internet nachschaut stößt man schnell auf die Begriffe Verbandsfunktionär und Lobbyist. Vor allem das Wort Lobbyist führt bei vielen Deutschen eher zu negativen Assoziationen. Was glauben Sie warum das so ist?

Weil wir uns noch nicht daran gewöhnt haben, dass die Politiker neben der Information durch die Ministerien auch die Information der Wirtschaft benötigen die in Verbänden verfasst ist. Und die Repräsentanten der Verbände sind eben auch meiner Sicht Lobbyisten. Manchmal bezeichnen sie sich selbst ungern mit diesem Wort, weil es ein wenig belastet zu sein scheint. Ich habe aber damit keine Probleme, ich nenne mich Lobbyist, aber um es mal ganz schlicht zu sagen, schon 1986 hat die Zeitschrift Kapital mich mit einem schönen Bild damals als Chef-Lobbyist des Mittelstandes tituliert. Das ist ein noch edlerer Titel, auf den bin ich natürlich stolz, aber ich habe ihn mir nicht einrahmen lassen.

Wenn wir jetzt in Ihre Tasche schauen würden, wie viele verschiedene Visitenkarten mit Ihrem Namen gäbe es da?

Um die zwanzig. Denn es gibt vielleicht sieben Karten für Institutionen und Verbände für die ich auf Honorarbasis unterwegs bin und es gibt dann weit mehr als ein Dutzend Visitenkarten für Institutionen und Verbände wo ich ehrenamtlich tätig bin. Zum Beispiel die Deutsch-Ungarische-Gesellschaft, da bin ich der Präsident, die Deutsch-Ukrainische-Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft, da bin ich der ehrenamtliche, also nicht bezahlte Generalsekretär. Aber wenn ich jetzt mit Ukrainern oder Russen spreche, dann zücke ich diese Visitenkarte um mich zu legitimieren und zu sagen, ich bin ein Lobbyist für die Ukraine, das heißt ich versuche die Ideen dieses Landes, die Wünsche, die Vorstellungen des dortigen Volkes bekannt zu machen, mich dafür einzusetzen dass der Dialog zwischen beiden Ländern läuft. Und da ich durch eine Wahl legitimiert bin das zu tun, habe ich dann eine entsprechende Visitenkarte.

Welche Verbände aus Deutschland sind speziell noch auf Ihren Visitenkarten vertreten?

Ich bin der Geschäftsführer von zwei Brandschutzverbänden, vom Wirtschaftsverband Brandschutz und der Gütegemeinschaft Brandschutz im Ausbau. Ich bin wenn Sie so wollen der Bevollmächtigte des Präsidiums des Gesamtverbandes Autoteilehandel, das mache ich jetzt 13 Jahre und infolge einer Umstrukturierung wird dieses Amt für mich am Jahresende beendet sein. Ich habe aber noch eine Reihe anderer interessanter Aufgaben die mich faszinieren. Zum Beispiel vertrete ich hier in Berlin die größte deutsche Universität, die Fernuniversität in Hagen mit deutlich über 80 000 Studierenden, oder wir haben Spezialverbände wie den Bundesverband für Wohnungswirtschaft, da leite ich das Berliner Hauptstadtbüro, oder das Institut privater Bauherren, da bin ich ein Senior Consultant, also es gibt unterschiedliche Funktionen in denen ich dann für diese Organisationen unterwegs bin. Ich unterscheide da sowohl auf meiner Homepage, wie auch ganz generell zwischen lobbyistischen Aufgaben die zu vertretbaren Konditionen bezahlt werden und vielen ehrenamtlichen Aufgaben denen ich mich widmen kann, weil ich hinreichend durch Einnahmen ausgestattet bin ein Büro zu unterhalten und eben in der Hauptstadt in unmittelbarer Nähe zu Ihrem Rundfunkbüro tätig zu sein. Ich brauche nur über die Straße zu gehen, uns trennt nichts, es sei denn das Adlon. Sie sind auf der Hinterseite des Adlon, ich auf der Vorderseite, je nachdem aus welcher Gegend man kommt.

Eine begehrte Gegend, in der Tat.

Absolut.

Sie führen Ihr Büro für Verbands- und Politikkommunikation seit 1991, dort sind Sie nicht in erster Linie als politischer Berater, sondern ganz bewusst als Lobbyist tätig, das steht auch auf Ihrer Homepage. Was heißt das genau? Wie muss ich mir Ihre Arbeit konkret vorstellen?

Wenn ich das auf Honorarbasis organisierte Feld nehme, muss mich mit meinen Verbänden darüber unterhalten was wollen die eigentlich von der Politik? Und in jedem Verband gibt es bei drei Mitgliedern mindestens fünf Meinungen. Es muss also zwischen den oft unterschiedlichen Meinungen ein Konsens hergestellt werden und mit dem gehe ich dann an die Politik. Nicht jede Einzelfirma kommt zum Herrn Abgeordneten x oder y, sondern wir haben für die Wirtschaftsgruppe Brandschutz unsere Vorstellungen mal intensiv diskutiert und das ist das Gesamtergebnis. Wir haben oft widersprüchliche Positionen zu einer gemeinsamen Position verdichtet und das ist dann mehr als nur die Vertretung eines einzelnes Firmenrepräsentanten. Die gibt es ja auch. Der vertritt dann die Firma x und y, das ist eine legitime Aufgabe, aber die Verbände haben darüber hinaus die Aufgabe für eine Wirtschaftsgruppe zu sprechen und die Anliegen dieser Gruppe gegenüber der Politik transparent deutlich zu machen und mit guten Argumenten darzustellen, damit der Politiker oder die Politikerin sagt okay, was ihr wollt das gefällt uns, das versuchen wir umzusetzen und durchzusetzen. Nicht immer gelingt es, aber es macht Spaß wachsende Begeisterung für Positionen der Verbände zu spüren.

Eine der wichtigsten Aufgaben ist demnach der Kontaktaufbau in die Politik. Wie gehen Sie dabei vor? Es steht ja nicht jeder Abgeordnete im Telefonbuch.

Doch, natürlich nicht im Telefonbuch von der Telekom, aber es gibt hinreichende Bücher, das ist ganz klar das wir den Kontakt brauchen. Der Kontakt muss zu den jeweils federführenden Politikern hergestellt werden. Es sind nicht alle 600 Abgeordnete für das Thema Brandschutz zu begeistern, aber wir haben die dafür speziell ansprechbaren Experten im Parlament in einem parlamentarischen Beirat zusammengefasst, der drei oder viermal im Jahr tagt und daneben gibt es dann viele individuelle Gespräche, sodass wir in einem kontinuierlichen Dialog sind. Das ist aus der Politik sinnvoll, wenn die Politik einmal zur Beratung eines solchen Themas einen Rat der Wirtschaft braucht, dann wissen sie wo sie mich finden und machen davon auch Gebrauch und wir wissen wo wir die Abgeordneten finden. Nicht nur bei abendlichen Empfängen oder bei einem gemeinsamen Mittagessen,sondern auch in ihrem Büro. Aber man darf den Politikern auch nicht lästig werden indem man sie kontinuierlich bombardiert oder gar mit Emails zudeckt, sondern man muss das behutsam, treffsicher und argumentationsstark tun.

Sie gehen im Bundestag ein und aus. In der vergangenen Woche waren Sie auch beim CDU-Parteitag. Wie muss ich mir das vorstellen, waren Sie da ein stiller Zuhörer oder sind Sie mit konkreten Projekten im Kopf dort hin gegangen?

Also beim CDU-Bundesparteitag bin ich als CDU-Mitglied, aber mehr noch als ein früherer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion natürlich ein gern gesehener Gast weil die Strategen sich auch an alte Mitkämpfer immer gerne erinnern. Beim CDU-Bundesparteitag habe ich den Status ein besonderer Gast zu sein, das heißt ich zahle keinen Eintritt, der kostet 50 Euro, das könnte ich mir schon leisten, aber aufgrund dieser Verbindung die ich da habe, habe ich einen eigenen Sitzplatz, den werde ich aber nicht immer nutzen weil ich herumgehen muss um mit den vielen Politikern die dort versammelt sind einfach zu sprechen und den einen oder anderen auf dieses oder jenes Problem noch einmal aufmerksam zu machen und dann zu sagen, ich schreibe Ihnen aber demnächst mal einen fundierten Brief, damit Sie das noch einmal überdenken können was wir hier so vortragen. Aber das ist ein großes Familienfest mit 3000 Leuten, da muss man einfach dabei sein.

Was uns natürlich interessiert ist, wie viel Einfluss hat denn jetzt eigentlich ein Lobbyist tatsächlich in der Politik?

Jetzt sage ich mal was ganz schlimmes, ich habe eine Wohnung in Berlin die heißt "Am Zirkus", also im Zirkus ist es so, dass die Kapelle spielt wie der Elefant tanzt. Der Einfluss ist nicht leicht zu messen. Wenn Sie gute Argumente haben, dann spüren Sie, die Politiker nehmen diese Argumente ernst und versuchen sie durchzusetzen. Aber der Erfolg ist nicht immer messbar, der Erfolg hat natürlich viele Väter, heute würden wir sagen, er hat auch Mütter, wir sind aber sehr darauf angewiesen, dass das was wir vorschlagen nicht in Papierkörben versandet, sondern ein bisschen in die Meinungsbildung der Politik eingeht.

Kann sich das theoretisch in konkreten Gesetzesvorlagen äußern?

Ja natürlich. Das ist immer das Ziel. Das können Gesetze sein, das können Verordnungen sein, das können Erlasse sein, aber in der Regel sind es natürlich Gesetze, aber wir können ja nicht erst auf das fertige Gesetz einwirken, wir müssen beim Entstehen der Gedanken für eine Novellierung, eine Veränderung der Gesetzeslage schon dabei sein. Je eher man die Finger im Geschäft hat, umso mehr hat man die Chance die Entwicklung der Diskussion in die richtige Richtung zu lenken.

Es heißt ja so schön: eine Hand wäscht die andere. Was kann denn jetzt dann ein Lobbyist als Gegenleistung der Politik vorlegen?

Also die Politik selbst kann sagen ich habe mit den entsprechenden Kreisen der Wirtschaft über diese Thematik gesprochen, wir haben entweder Konsens erzielt, oder wir sind noch nicht einig, der Politiker kann seinen anderen Kollegen in der Bundestagsfraktion sagen, in dieser Frage x oder y bin ich im ständigen Dialog mit denen die davon betroffen sind. Ich unterhalte mich mit denen, das ist fair, das ist sinnvoll und aus der Sicht der Politik, die reden dann nett über uns und haben in ihrer Verbandszeitschrift dann auch einmal einen netten Bericht wo drin steht, dass unsere Argumente bei der politischen Ebene Anklang gefunden haben, ernst genommen werden, vielleicht nicht immer durchgesetzt werden können, aber doch ein wesentlicher Beitrag zur Bereicherung der Diskussion sind.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Viele. Nehmen wir mal den Brandschutz, damit haben wir angefangen, das ist ein Thema. Der Spiegel hat das ja auf der Titelseite sehr sachkundig, sehr intensiv behandelt, wir dämmen heute jedes Haus und die Dämmmaterialien haben oft die Eigenschaft leicht zu brennen. Wir vertreten jetzt ganz konkret im Wirtschaftsverband Brandschutz Mitglieder, das sind aber erfreulicherweise Mitglieder, ich bin da immer sehr konkret, die Firma Rockwool. Das ist eine der führenden Anbieter für Dämmstoffe. Die haben ein Material das nicht brennt. Also setzen wir uns für dieses Material ein und vor gut zwei Jahren haben wir die Bauministerkonferenz, das sind die Länderminister die für Baufragen zuständig sind ermuntert, diese Sache einmal zu überprüfen. Das hat zwei Jahre gedauert, ein bisschen zu lange, aber das Ergebnis war jetzt vor drei Wochen in Chemnitz haben die Minister gesagt, hier muss eine Veränderung stattfinden, wir müssen sehen dass diese brennbaren Materialien nicht mehr verwendet werden. Aber zwischen dieser Erkenntnis und der Umsetzung in einer konkreten Gesetzesinitiative, da sind noch weitere Schritte zu gehen, denn die andere Seite sagt, ja unser brennbaren Materialien sind wesentlich preiswerter, ob sie umweltschonender sind ist eine andere Frage, das verneinen wir, aber da muss dann ein Konsens gefunden werden zwischen diesen und jenen Interessen und darum bemühen wir uns.

Nun ist das beim Thema Brandschutz natürlich durchaus nachzuvollziehen. Es gibt aber auch andere Beispiele wie etwa die Energiewende, da gibt es in Deutschland ja eine ganze Reihe von wirtschaftlichen Interessenverbänden die dort versuchen Einfluss zu nehmen. Aus Sicht der Verbrauchers häufig auch mit negativen Ergebnissen, können Sie das dann nachvollziehen dass man sagt naja gut beim Brandschutz verstehe ich das, aber das kann ja nicht überall so positiv laufen?

Also von der großen Energiewende sind wir vielleicht in meinem engeren Bereich für etwa 40% zuständig, nämlich für die Energie die in Häusern verbraucht wird. Ich habe eben gesagt ich bin für das Institut privater Bauherren, das ist das wissenschaftliche Institut des Verbandes privater Bauherren als Berater zuständig. Ich habe das Institut auch mit aus der Taufe gehoben, weil ich gesagt habe ein Verband braucht ein Institut wo mit der Wissenschaft neutral und vernünftig über solche Dinge nachgedacht wird. Es ist immer auch eine Frage der Kosten. Wie stark kann in den Bauherren mit Auflagen belasten? Wir wollen ja generell dass Bauen ein wenig preiswerter machen, damit wir mehr Wohnraum haben. Das ist das Ziel der Regierung auch im Rahmen der Energiewende und da muss man dann einen Ausgleich finden. Je mehr ich dämme, umso mehr muss ich dann schauen dass es keinen Schimmel gibt, ich muss lüften. Also bin ich auch für den Bundesverband Wohnungslüftung unterwegs und da versuchen wir dann einen Ausgleich zu finden. Natürlich ist das alles nicht zum Nulltarif zu haben, hier müssen wir eben immer zwischen einem guten vernünftigen Ziel einerseits und den Möglichkeiten es sinnvoll zu erreichen und schrittweise umzusetzen andererseits unterscheiden und das ist die Aufgabe des Lobbyisten, dass er jetzt nicht mit einem einzigen Ziel versucht mit dem Kopf gegen die Wand zu laufen, sondern dass er alle Seiten versucht mit zu bedenken und dann zu einem fairen Ausgleich der Interessen beitragen kann.

Nun hat ja der Wähler in erster Linie den Politiker gewählt und nicht seine Kontakte aus der Wirtschaft, oder ist da schon der Denkfehler?

Nein, der Wähler wählt über die Parteien die Politiker. In unserem Grundgesetz, in der Verfassung steht nach Artikel 21 des Grundgesetzes: die Parteien sind es die die politische Willensbildung gestalten. Nicht die Verbände. Die Verbände sind auch im Grundgesetz in Artikel 7 genannt und da steht es dann, das ist der Artikel mit der Koalitionsfreiheit, wir können uns verbünden und daraus folgt dann: wir, die Verbände haben die Aufgabe nicht mitzuwirken, sondern einzuwirken auf die Willensbildung der Politik. Die Politiker entscheiden, wir geben den Rat. Es gibt unterschiedliche Ratgeber, das ist völlig klar, es gibt die Arbeitgeber, es gibt die Arbeitnehmer, es gibt Umweltschützer, es gibt eine breite Vielfalt der Interessen und der Politiker hat dann die Aufgabe zwischen all den verschiedenen Interessen aus der Sicht der Wähler, seiner Wähler, den richtigen Weg zu finden.

In Deutschland gelten die Energiewirtschaft und die Pharmaindustrie als Branchen mit sehr großem Einfluss. Nehmen wir mal ein weiteres Beispiel, mehr als 80% der Deutschen sprechen sich beispielsweise für eine Legalisierung von Cannabis als Schmerzmittel aus. Die Pharmaindustrie findet das weniger gut und macht ihren Einfluss da in der Politik auch sehr stark geltend. Ist das ein Beispiel von negativer Lobbyarbeit?

Also ich bin in diesem Bereich überhaupt nicht unterwegs und kann höchstens sagen, dass die Politik entscheiden muss was für die Wähler, was für die Bevölkerung das sinnvollere ist. Sie muss dann einerseits die Interessen der Hersteller sehen und andererseits gesundheitspolitische Aspekte berücksichtigen und die Aufgabe der Politik ist es einen vernünftigen Kompromiss zu erarbeiten und ihn dann durchzusetzen. Das wollen die Politiker, denn sie wollen gewählt werden. Sie wollen der Mehrheit der Wähler entsprechen. Das muss nicht immer die beste Lösung sein, manchmal muss der Politiker auch sagen, also wir gehen jetzt einen anderen Weg weil der vernünftiger ist, auch wenn die Mehrheit der Wähler noch nicht von diesem zweiten Weg überzeugt ist. Da muss die Politik eben mit gutem Beispiel vorangehen.

Es gibt Experten die sagen über Lobbyarbeit beschwert sich eigentlich immer nur der, der keine Lobby hat oder keine besonders große Lobby hat. Brauche ich also zusätzlich zu den gewählten Vertretern aus der Politik auch noch eine Lobby oder einen Lobbyvertreter der sich für meine Interessen einsetzt?

Aus der Sicht der Politik ist es sinnvoll verschiedene Seiten organisiert zu erleben, zu hören, um sich dann selbst ein Urteil zu bilden. Aus der Sicht der Wirtschaft, ich bin ja jetzt wenn Sie so wollen ein Wirtschaftslobbyist, macht es Sinn, dass nicht jeder Unternehmer hier für sich allein in die Hauptstadt kommt und mit diesem oder jenem Abgeordneten aus seinem Wahlkreis plaudert. Das dürfen und sollen die auch tun, weil jeder Kontakt zwischen Politik und Wirtschaft, ob im Wahlkreis oder hier in Berlin, ist immer sinnvoll, aber am Ende muss der Politiker wissen, was will denn die verfasste Mehrheit einer Wirtschaftsgruppe, einer Branche, einer Region? Und das müssen die zunächst einmal untereinander aushandeln und da mag es auch immer wieder Alternativmeinungen geben, das gibt’s auch in der Wissenschaft, das gibt’s auch in den Verbänden, da muss man eben sagen, wir sind mehrheitlich für die Meinung x und ein kleiner Teil hat eine alternative Meinung. Das muss man als Verband nicht unbedingt sagen, aber das spürt der Politiker ja ohnehin, wie stark demokratisch legitimiert ist die Meinung die ich als Lobbyist vortrage. Ist es meine Einzelmeinung, die Meinung von einigen besonders wichtigen Unternehmen, oder ist es die Meinung der Mehrheit in einer Branche. Das muss man dann deutlich zum Ausdruck bringen.

Ansonsten haben wir als Wähler ja auch immer noch die Möglichkeit einfach einen anderen Politiker zu wählen wenn er unsere Interessen nach unserer Meinung eben nicht vertritt. Lassen Sie uns noch auf das Ausland schauen. Wo liegt denn Deutschland da mit Blick auf die Lobbyarbeit im Vergleich? Gibt es Länder wo die Lobbyarbeit vielleicht noch stärker greift? Oder ganz im Gegenteil wo man eher weniger Interessenverbände hat?

Wir schauen in diesem Fall nach Brüssel oder auch nach Amerika. Da hat sich die Lobby sehr viele stärker entwickelt. In Brüssel ist es ja so, da wirken dann neben den deutschen Lobbyisten noch die von 27 anderen Mitgliedern der Europäischen Union ein, aber auch solche die noch nicht dazu gehören oder gar nicht dazu gehören wollen, wie die Schweiz oder Island, versuchen auch sich an diesem Prozess zu beteiligen. Deshalb ist die Zahl der Interessenvertreter in Brüssel deutlich höher als in Berlin.

Nun könnte man ja auch als Beispiel TTIP anführen, wo natürlich sehr viele Interessenverbände mit darauf einwirken.

Ja das ist nun ein Thema das sehr stark schon vom zuständigen Minister Gabriel und von der Kanzlerin im Griff ist. Das ist auf einem guten Weg. Da muss man jetzt jene die Bedenken haben, aus welchen Gründen auch immer versuchen zu überzeugen diese Bedenken zu überprüfen und gegebenenfalls zurückzustellen. Das ist ein großer Weg der gemeinsam gegangen werden muss. Auf den wirken jetzt nur noch mehr die ganz hohen, die obersten Lobbyisten ein, die obersten Präsidenten der obersten Verbände. Es gibt auch bei den Lobbyisten da Hierarchien. Also das ist auf einem sehr guten Weg, da kommt es aber auch für die großen Verbände darauf an die Argumente für eine Verabschiedung so darzustellen, dass die mehrheitsfähig sind. Dass man die die noch Zweifel haben davon überzeugt, dass dieser Weg sinnvoll ist.

Ist Politik für Sie ohne Lobbyarbeit überhaupt möglich?

Nicht vorstellbar, denn die Lobby ist vorhanden, die Verbände sind vorhanden, sie haben sich im Laufe von weit über hundert Jahren entwickelt, manche sind schon deutlich über hundert Jahre alt, andere haben sich je nachdem wie die technologische Entwicklung sich darstellt erst in jüngerer Zeit entwickelt. Die Brandschutzverbände sind jetzt 30 Jahre alt, vorher gab es diese Technologie in diesem Sinne noch nicht, so kommen immer mal wieder neue Verbände hinzu und es ist auch durchaus denkbar, dass traditionsreiche Verbände an Attraktivität für die Mitglieder verlieren und sich die Unternehmensvertreter anders strukturieren, aber es ist für die Politik schon sinnvoll diesen Dialog insgesamt aktiv zu gestalten.

Abschließend, wie sähe aus Ihrer Sicht eine Welt ohne Lobbyisten aus? Es gibt Stimmen die sagen, dann würden wir alle Elektroautos fahren und würden alle viel gesünder leben. Oder fällt das eher in die Kategorie Utopie?

Das ist sicher eine Utopie. Ohne Lobbyisten zu leben hieße ohne den Sachverstand der Wirtschaft zu leben. Den Sachverstand brauchen wir. Man kann ihn eventuell auch anders organisieren, aber da haben sich unsere Organisationsformen nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert, sie sind akzeptiert, es ist eine gewisse Organisation eingetreten. Wir sind ja alle beim Deutschen Bundestag registriert mit den Verbänden die Einfluss nehmen wollen und in der Geschäftsordnung der Bundesregierung ist ja sogar festgelegt, dass bei jedem Gesetzesvorhaben die beteiligte Wirtschaft in angemessener Weise um ihren Rat und ihre Meinung gefragt werden soll. Das ist ein eingeführtes Verfahren, das heißt nicht, dass die Politik diesen Rat akzeptieren muss, sie muss ihn sich einholen und sie kann dann auch anders entscheiden und das geschieht ja auch gelegentlich.

Doktor Peter Spary, ich bedanke mich recht herzlich für das Gespräch.

Ich danke auch.

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