Warum der Westen die Krim nicht als Teil Russlands anerkennt (Radioreportage)
Der 18. März 2014 wurde zum Tag der Eingliederung der Krim und der Stadt Sewastopol in das russische Staatsgebiet. In seiner Rede im Kreml legte der russische Präsident die Ursachen und Folgen dieses historischen Ereignisses dar.
Wladimir Putin erinnerte insbesondere an die „in den Wandelgängen untereinander getroffenen Abmachungen“ der Parteinomenklatur im Jahr 1954, als der Staatschef der UdSSR Chruschtschow die Krim der Ukraine schenkte. Unter den Bedingungen des totalitären Staates wurden die Bewohner der Halbinsel nicht nach ihrer Meinung gefragt. Heute bekundeten sie ihren Willen, weil sie um ihr Leben fürchten und Russland um Schutz vor den naziähnlichen Rechtsradikalen des Maidan ersuchten. Indem die Krim ihre Unabhängigkeit erklärte und ein Referendum verkündete, handelte sie im Einklang mit der Satzung der Uno. Außerdem existiert der Präzedenzfall des Kosovo, der in Europa geschaffen wurde. Übrigens wird am 24. März der 15. Jahrestag des Beginns der Nato-Luftangriffe gegen Jugoslawien begangen, welche ohne eine Sanktion der Uno eingeleitet wurden. Putin führte in seiner Rede ein Zitat aus der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes der Uno zum Kosovo an:
„Aus der Praxis des Sicherheitsrates ergibt sich keinerlei Verbot einer einseitigen Ausrufung der Unabhängigkeit.“ Und weiter: „Das allgemeine Völkerrecht enthält keinerlei anwendbares Verbot auf die Ausrufung der Unabhängigkeit.“ Alles ist, wie man so sagt, äußerst klar. Hier noch ein Auszug. Das schriftliche Memorandum der USA vom 17. April 2009, vorgestellt im Internationalen Gerichtshof im Zusammenhang mit der Kosovo-Anhörung:
„Die Deklarationen über die Unabhängigkeit können, und das geschieht oft, gegen die innere Gesetzgebung verstoßen. Allerdings bedeutet das nicht, dass ein Verstoß gegen das Völkerrecht vorliegt.“ Soweit das Zitat. Die Handlungen der Bürger der Krim passen genau in diese Instruktion.
Indessen erklären Europa und die Vereinigten Staaten, dass das Kosovo ein Sonderfall sei. Worin besteht ihres Erachtens diese Ausschließlichkeit, fragt Putin und beantwortet diese Frage so:
„Es stellte sich heraus, dass es deshalb so ist, weil es im Zuge des Konflikts im Kosovo viele Menschenopfer gegeben hat. Was ist das – etwa ein juristisches rechtliches Argument? In der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes ist diesbezüglich überhaupt nichts gesagt worden. Und dann, wissen Sie, ist das nicht einmal mehr die Anlegung doppelter Maßstäbe. Das ist irgendein erstaunlicher primitiver und geradliniger Zynismus. Man darf doch nicht alles so grob den eigenen Interessen unterordnen, ein und derselbe Gegenstand wird heute als weiß und morgen als schwarz bezeichnet. Ergibt sich daraus etwa, dass man einen jeden Konflikt bis zu Menschopfern treiben muss?
Warum tritt der Westen heute in geeinter Front gegen die Anerkennung der Krim und Sewastopols im Bestand Russlands auf? Im Interview für unseren Sender sagte der deutsche Politologe und Professor an der Georg-August-Universität in Göttingen, Dr. Peter Schulze, dazu Folgendes:
„Der Westen akzeptiert das natürlich nicht. Die Krim-Problematik ist wie ein Schneeball, der ungelöste Probleme in Europa in Bewegung setzen kann. Wir haben separatistische Tendenzen in Spanien, wir haben die Problematik von Schottland, in Oberitalien und auch die Süd Tirol Problematik. Es ist zwar sehr ruhig, und man schießt dort nicht seit den 1950-er Jahren, aber trotzdem sind die Selbstbestimmungstendenzen und die Anschlusstendenzen an Österreich nicht aus der Welt. Dann haben wir das Problem von Bosnien-Herzegowina, ein Problem eines nicht lebensfähigen Staates, oder quasi-Staates Kosovo. D.h. wir haben eine Masse von Problemen in Europa, die einigermaßen ruhig gestellt sind durch ökonomische und soziale Maßnahmen in Rahmen der Europäischen Union, aber die nicht gelöst sind.
Und von da her ist natürlich eine solche offene Entwicklung, wie sie auf der Krim gelaufen ist, eine Bedrohung, dass diese Konflikte ebenfalls aufbrechen könnten. Das war ein Grund, warum die europäischen Staaten sich hart verhalten hatten. Der zweite Faktor ist das amerikanische Interesse. Das amerikanische Interesse war immer, die Ukraine und Russland dauerhaft getrennt zu halten. Und vielleicht sogar mit dem Gedanken, der 2008 eine Rolle spielte, die Ukraine in die Nato zu integrieren. Das wäre natürlich eine Kriegserklärung an Russland gewesen, und das russische Vorgehen jetzt auf der Krim ist natürlich eine Ohrfeige gegen die USA und ein Rücksetzten deren Interessen, die Ukraine vollständig in die Nato zu integrieren. Das alles zusammengenommen schafft die Ablehnung gegen die russische Politik auf der Krim“.
Übrigens betonte Präsident Putin, dass Russland auf alle aggressiven Handlungen des Westens in entsprechender Weise reagieren werde. Dabei wird Russland niemals selbst nach einer Konfrontation mit seinen Partner streben, weder im Westen noch im Osten. Im Gegenteil, „es wird alles Notwendige tun, um gutnachbarliche Beziehungen aufzubauen, wie das in der heutigen Welt auch üblich ist.“ Darunter mit der Ukraine, deren Teilung Russland nicht wolle, betonte Putin:
„Glauben Sie denjenigen nicht, der Ihnen mit Russland Angst machen, die schreien, nach der Krim würden andere Regionen folgen. Wir wollen keine Teilung der Ukraine, wir brauchen das nicht. Was die Krim betrifft, so war und bleibt sie auch russisch, auch ukrainisch, auch krimtatarisch. Wir wollen Freundschaft mit der Ukraine, wir wollen, dass sie ein starker, souveräner, sich selbst genügender Staat ist.“
Diese Äußerung des Präsidenten kommentierte unser Experte Professor Dr. Schulze:
„Das ist absolut wichtig und auf dieser Basis muss weiter verhandelt werden, und da hat Putin völlig recht, wenn er das anspricht. Da gibt es von der deutschen Seite eine große Zustimmung in diese Richtung sich zu bewegen, aber es muss auch Druck bzw. Überzeugung ausgeübt werden auf die Regierung in Kiew. Und vor dem 25. Mai läuft das sowieso nicht. Ich meine, das ist eine illegale Regierung, die sich erst legitimieren muss in einer neuen Wahl und ab dem 25. Mai mit der Präsidentschaftswahl wird dieser Prozess laufen. Dann wird es möglicherweise auch eine rationale Einschätzung der Lage geben. Bislang sehe ich in der ukrainischen Regierung nichts, sie sind Traumtänzer, oder Dilettanten am Werk abgesehen von weniger. Und das ist ein Problem. Wir brauchen eine institutionelle Verrechtlichung und Konsolidierung der politischen Verhältnisse in Kiew und dann hat man auch Verhandlungspartner“.
So charakterisierte übrigens Präsident Putin die heutige Macht in Kiew:
„Die Hauptausführenden des Umsturzes wurden die Nationalisten, die Neonazis, die Russophoben und Antisemiten. Gerade sie bestimmen in vielem heute das Leben in der Ukraine. Klar ist auch, dass es in der Ukraine bisher keine legitime exekutive Macht gibt, man kann mit niemandem reden. Selbst eine Audienz bei manchen Ministern der heutigen Regierung kann man nur mit Genehmigung der Kämpfer des Maidan bekommen. Das ist kein Witz, das sind die Realitäten unseres Lebens.“
Welche Zukunft erwartet die Ukraine nach den Präsidentenwahlen vom 25. Mai? Hierzu die Meinung unseres Experten Prof. Dr. Peter Schulze:
"Wenn die Ukraine als Staat überleben will, muss sie eine weitgehende Autonomisierung bzw. Föderalisierung des Landes einleiten. Das heißt also meinetwegen eine Autonome Republik Ostukraine oder Autonome Republik Südukraine. Ansonsten ist das nicht mehr zu steuern, dann bekommen wir innerhalb von Europa, innerhalb der Ukraine einen permanenten Unruheherd von Gewalttätigkeiten. Und das können wir uns nicht erlauben“.
Als Russland die Krim und Sewastopol in den Bestand der Russischen Föderation aufgenommen hat, war es bereit zu einer Gegenwirkung des Westens. Heute droht man dem Land mit Sanktionen und einer Zuspitzung der inneren Probleme. Aber man wird wohl kaum durch eine Verschlechterung der sozialwirtschaftlichen Lage soziale Konflikte in Russland provozieren können, wo die riesige Mehrheit der Menschen die Krim bedingungslos unterstützt hat. Davon zeugen auch die Meinungsumfragen und die unzähligen Meetings, die auf dem ganzen Territorium Russlands stattgefunden haben. Die Menschen hier sind bereit, dass man den Gürtel wird enger schnallen müssen, um den Landsleuten zu helfen. Und egal was man sagen mag, egal wie man uns Angst machen sollte, jetzt sind die Krim und Sewastopol neue Subjekte der Russischen Föderation. Und das ist eine vollendete Tatsache. Man kann sie nicht anerkennen, aber sie ist bereits nicht mehr zu ändern.
Foto: RIA Novosti