WDR-Journalistin: Müssen pro Regierung berichten

Vom niederländischen Radiosender L1 eingeladen, sprach die freie Mitarbeiterin des WDR, Claudia Zimmermann, über politische Vorgaben in der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung in Bezug auf die Flüchtlingskrise. Zimmermanns Aussage "Wir sind natürlich angewiesen, das einigermaßen ‚pro Regierung’ zu berichten" sorgt trotz späterem Dementi weiter für Aufsehen. RT Deutsch präsentiert nun eine exklusive Übersetzung der vollständigen Gesprächssequenz.

Da wurde Claudia Zimmermann wohl unfreiwillig zur Whistleblowerin. In einer niederländischen Radiosendung des Senders L1 spricht die WDR-Journalistin fast fünf Minuten im lässigen Plauderton über Deutschlands Umgang mit der Flüchtlingskrise. Konkret geht es dabei um Köln, "Merkels Willkommenskultur" und die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien in all diesen Fragen.

Zimmermanns Satz "Wir sind natürlich angewiesen, das einigermaßen ‚pro Regierung’ zu berichten." sorgte bereits gestern für Aufsehen in zahlreichen Medien.

Natürlich müssen Zimmermanns Aussagen im Lichte ihres späteren Dementis betrachtet werden. Sie habe unter großem "Druck" gestanden und "Unsinn" geredet, so die Journalistin. Im Wortlaut heißt es in ihrem Widerruf:

"Ich habe an dieser Stelle Unsinn geredet. Unter dem Druck der Live-Situation in der Talkrunde habe ich totalen Quatsch verzapft. Mir ist das ungeheuer peinlich. Denn ich bin niemals als freie Journalistin aufgefordert worden, tendenziös zu berichten oder einen Bericht in eine bestimmte Richtung zuzuspitzen."

Genau jenes Dementi sollte allerdings seinerseits vor dem Hintergrund gelesen werden, dass sich kurz zuvor Zimmermanns Arbeitgeber, der Westdeutsche Rundfunk, entsetzt zeigte und mit Blick auf Zimmermanns Aussagen gegenüber des niederländischen Radios verkündete:

"Das entspricht in keiner Weise der Haltung, den Werten und dem Programmauftrag des Unternehmens"

Eine klare Botschaft in Richtung der freien Mitarbeiterin, die sicher auch künftig noch Aufträge erhalten will. Was jedoch so gar nicht zu Zimmermanns späteren Erklärung passt, unter großem Druck gestanden zu haben, ist die umstrittene Live-Situation selbst.

Die Atmosphäre des Gesprächs (Mitschnitt) wirkt äußerst entspannt und auch dreimaliges ungläubiges Nachfragen seitens des Moderators und eines ihrer Gesprächspartner, ob Zimmermann ihre Aussagen wirklich ernst meint, führen nicht etwa zu Relativierungen seitens der WDR-Journalistin, sondern vielmehr zu Konkretisierungen in Bezug auf die politische Steuerung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Gegen Ende des Gespräches macht die Journalistin, die seit rund zwei Jahrzehnten Inhalte für den WDR produziert, zudem klar, dass der Wind der Berichterstattung auch ganz schnell drehen kann, sobald neue Gesetzespläne der Regierung dies erfordern.

Mit reinem "Unsinn" können Zimmermanns Aussagen deshalb nicht vom Tisch gewischt werden. Vielmehr gilt es ihr Dank und Respekt zu zollen, zumindest im niederländischen Radio ihren journalistischen Auftrag ernst genommen zu haben: Die Wahrheit zu berichten, auch wenn sie schmerzt.

Von der vollständigen Gesprächssequenz hat RT Deutsch eine exklusive Übersetzung anfertigen lassen:

Moderator: Die sexuellen Übergriffe und Raube während der Silvesternacht führen zu täglichen Diskussionen. Was bleibt, sind viele Fragen: Sind es nordafrikanische und arabische Asylsuchende, die von unseren kulturellen Werten nichts verstehen? Oder ist es eine sexuelle Gewalt, die auch unter westlichen Männer existiert? Und inwiefern wird die kölnische Nacht Deutschland verändern?

Am Tisch sitzen: Claudia Zimmermann, Journalistin beim WDR Aachen, Martijn van Helvert, Politiker der CDA und Heger Harschi, Muslima und ehemaliges Ratsmitglied in Sittard/Geleen.

Claudia Zimmermann, es gibt immer neue Fakten: Es waren nordafrikanische Männer. Es waren Flüchtlinge. Oft widerspricht es sich. Welche Fakten sind wirklich bekannt?

Claudia Zimmermann: Fakt ist, dass es mittlerweile 1000 Verdächtige gibt. Aber der Großteil dieser Verdächtigen wird nie gefunden werden. Auf Kamerabildern ist festgestellt worden, dass die meisten ein sogenanntes ‚nordafrikanisches Aussehen’ haben. Es ist schwierig zu sagen, ob sie aus Nordafrika, aus Syrien, oder aus einem anderen arabischen Land sind. Inzwischen sind 38 Menschen festgenommen worden, die zum Großteil aus nordafrikanischen Ländern kommen, Marokko und Algerien. 18 von ihnen haben Asyl-Status, sind also offiziell Flüchtlinge.

Moderator: Sie arbeiten beim WDR. Werden Sie angewiesen, auf eine bestimmte Art und Weise über Migranten und Flüchtlinge zu berichten?

Claudia Zimmermann: Ja, wir sind ein öffentlich-rechtliches Medium. Das bedeutet, dass wir dieses Problem in einer positiven Art und Weise angehen. Am Anfang, als die Willkommenskultur von Merkel noch gut war, waren auch die meisten Geschichten ganz positiv. Jetzt ist das aber einigermaßen gekippt, jetzt sind auch kritischere Stimmen in den öffentlich-rechtlichen Medien und der Politik zu hören.

Moderator: War das irgendwo festgelegt, oder haben Sie irgendwann eine Mail bekommen: ‚So sollen Sie berichten?’

Claudia Zimmermann: Grundsätzlich nicht, aber wir sind natürlich ein öffentlich-rechtliches Medium. Das heißt, dass es verschiedene Kommissionen gibt, die bestimmen, wie unser Programm aussehen soll. Wir sind natürlich angewiesen, das einigermaßen ‚pro Regierung’ zu berichten.

Moderator: Ich finde das wirklich interessant. Verstehe ich es richtig, dass es Kommissionen gibt, die Ihnen, weil sie ein öffentlich-rechtliches Medium sind, sagen, dass Sie diese Probleme positiver angehen sollen? Wer genau ist denn in diesen Kommissionen? Wer bestimmt das?

Claudia Zimmermann: Die größten gesellschaftlichen Gruppierungen sind dort vertreten. Zum Beispiel die Katholische Kirche. Wir werden vom Publikum bezahlt, der Bevölkerung. Von daher ist es auch logisch, dass wir eine Regierungsstimme haben, und nicht so sehr eine Oppositionsstimme.

Moderator: Ist das nicht seltsam, dass man als Journalist irgendwie Anweisungen hat, in welcher 'Tonlage' berichtet werden soll?

Claudia Zimmermann: Nein, das ist nicht seltsam, das ist verständlich. Wir versuchen neutral zu berichten. Zu Beginn gab es gegen die ‚Willkommenskultur’ von Merkel noch keine negativen Stimmen. Es gab eine politische Mission. Und wir haben in dieser Richtung berichtet.

Martijn van Helvert: Ich finde es seltsam. Ich kann mir nicht vorstellen, dass in den Niederlanden irgendjemand den Journalisten sagt: ‚Dieses Problem bitte positiv angehen.’ Ich kann mir das nicht denken.

Claudia Zimmermann: Nein, damals war es noch die Willkommenskultur, aber jetzt ist es gekippt. Jetzt gibt es auch negative Stimmen.

Moderator: Es gab auch Kritik, dass viele Informationen der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt worden sind. Auch durch die Medien. Gibt es ein ‚Schweigekartell’?

Claudia Zimmermann: Nein, das darf man so nicht sagen. Der Präsident der Kölner Polizei, der die Informationen nicht freigegeben hat, musste auch in den Ruhestand gehen.

Moderator: Aber auch der WDR [hat geschwiegen]

Claudia Zimmermann: Nein. Jetzt werden wirklich viele Reportagen gedreht über die Probleme, die es gibt. Aber wir berichten über das, was passiert. Die Politik ist gekippt, zuerst war es alles positiv. Willkommenskultur und so weiter. Aber jetzt gibt es einen Gesetzesvorschlag der CDU, um den Maghreb-Ländern, so wie Marokko und Algerien einen positiven Status zu verleihen, damit sie als offiziell ‚sicher’ gelten. Es wird dann viel einfacher sein, Asylbewerber aus diesen Ländern schneller zurückzuschicken. Wir berichten natürlich auch darüber.

Foto: WDR-Funkhaus in Düsseldorf. Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

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